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noch nicht her sein. Ich konnte ihren Geruch noch ganz schwach wahrnehmen, und die Erinnerung an die Zeit, be- vor wir eingeschlafen waren, war noch sehr lebendig und überraschend angenehm. Zu sagen, dass wir sensatio- nellen Sex gehabt hätten, wäre übertrieben gewesen. Niemand konnte in einem Zimmer wie diesem, mit papier- dünnen Wänden und zweifellos neugierig lauschenden, unerwünschten Verwandten im Nebenzimmer, etwas wirk- lich Sensationelles erwarten, schon gar nicht nach einem Tag wie dem, der hinter uns lag. Dennoch war ich über- rascht. Judith war so ziemlich alles, nur nicht der Typ Frau, auf den ich stand, und ich hätte eher ein schales Gefühl erwartet, vielleicht etwas wie Verlegenheit oder gar schlechtes Gewissen. Aber ich hatte ein angenehmes Gefühl und eine sonderbare Mischung aus Enttäuschung und vager Erleichterung. Enttäuschung, weil ich (fast zu meinem eigenen Erstaunen) gerne neben ihr aufgewacht wäre, aber auch Erleichterung, sie eben nicht neben mir liegen und mich mit besorgt gefurchter Stirn anblicken zu sehen, weil ich schweißgebadet und schreiend und viel- leicht den Namen Miriam stammelnd aufgewacht war. Miriam ... Einen Moment lang durchforstete ich angestrengt mein Gedächtnis, aber da war nichts. Wenn es einen Grund gab, aus dem ich ausgerechnet auf diesen Namen gekommen war, dann war er so tief in meiner Erinnerung vergraben, dass ich nicht an ihn herankam. Vermutlich gab es keinen. Und ganz bestimmt war das, was ich im Moment tat, nicht besonders konstruktiv. Ich hatte einen Alptraum gehabt einen von der ganz üblen Sorte, zugegeben , aber nicht mehr als das, basta! Es brachte nicht besonders viel, wenn ich versuchte, ihn zu analysieren. Schließlich war ich kein Psychiater. Später, wenn das alles hier vorbei war und ich all die vielen schönen Millionen auf meinem Konto angehäuft hatte, konnten sich professionelle Gehirnklemp- ner darum kümmern, wenn es wirklich nötig war, aber im Moment hatte ich wirklich Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel ins Nebenzimmer zu gehen und Judith zu wecken, um von ihr eine Zigarette zu schnorren. * Wie um mich nachhaltig daran zu erinnern, wie ungesund das Rauchen war, meldeten sich meine Kopfschmerzen mit einer stechenden Attacke zurück; nicht so schlimm, dass mir körperlich übel geworden wäre, aber schlimm genug, mich benommen taumeln zu lassen. Rasch ließ ich mich auf die Bettkante sinken, vergrub das Gesicht in den Händen und wartete mit geschlossenen Augen darauf, dass das pochende Hämmern verebbte oder wenigstens auf ein erträgliches Maß zurückging. Das geschah auch, und zwar in umgekehrter Reihenfolge und quälend langsam. Ich fühl- te mich hinterher nicht wirklich besser; die Kopfschmerzen waren weg, aber sie hatten ein Gastgeschenk dagelassen ein Gefühl leiser Übelkeit im Magen und einen Geschmack im Mund, als wäre ich gerade aus einem Fiebertraum erwacht. Vielleicht war das ja die Erklärung. Zu behaupten, dass ich mich an diese verdammten Kopfschmerzen mittlerweile gewöhnt hätte, wäre nicht wahr es gibt Dinge, an die kann man sich nicht gewöhnen, und heimtückische Migrä- neattacken gehören ganz eindeutig dazu , aber die Schmerzattacken waren selten so heftig (und vor allem so zahlreich) gekommen wie heute und eigentlich waren sie sonst nie von Alpträumen begleitet. Wahrscheinlich hatte ich mir irgend so einen beschissenen Virus eingefangen: in der zugigen Bahn, auf der Taxifahrt hierher oder während der Expedition mit Carls Nato-olivfarbenem Friedenstau- benjeep hierherauf. Ja. Das musste die Erklärung sein. Sie machte es nicht besser, aber irgendwie doch erträglicher. Was nichts daran änderte, dass ich mich erstens hunds- miserabel fühlte und zweitens das ziemlich sichere Gefühl hatte, so schnell nicht wieder einschlafen zu können. Ich sah auf die Uhr, aber auch das erwies sich im Nachhinein als keine wirklich gute Idee: Es war gerade elf vorbei später Nachmittag, wenn ich meinen normalen Lebens- rhythmus zugrunde legte , und das bedeutete, dass mir mindestens noch sieben oder acht endlose Stunden bevor- standen, ehe die Nacht vorüber war und wir uns alle wieder unten in der Küche trafen. Preisfrage: Wie verbringt man acht Stunden in einem Geisterschloss, in dem es weder Fernseher noch Radio, Video- oder DVD-Player gibt und die Minibar aus einem leeren Sperrholzschränkchen be- steht, das schon vor zwanzig Jahren begonnen hatte, aus dem Leim zu gehen? Antwort: Man langweilt sich zu Tode oder sucht sich Gesellschaft. Und das Wichtigste: Diese Gesellschaft war momentan im Besitz der einzigen Schachtel Zigaretten im Umkreis von mehreren Kilome- tern. Also beschloss ich, meinen begehbaren Kleider- schrank zu verlassen und mich auf die Expedition zu Judiths Zimmer zu machen. Sorgen darüber, dass ich sie wecken und mir damit möglicherweise ihren Zorn zuziehen könnte, machte ich mir nicht. Ich war ziemlich sicher, dass
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